Bericht aus dem Ortsbeirat vom 17. September 2018
Der heutige Bericht ist ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Christoph Meyer, Ortsbeirat für die SPD. Über einen kleinen Newsletter schickt er regelmäßig Infos vor und nach den Sitzungen. Wer Interesse an diesem Newsletter hat, kontaktiere ihn.
Liebe Leute,
eingeladen wurden wir noch als Ortsbeirat, getagt haben wir dann aber schon als Stadtbezirksbeirat Neustadt. Denn die geänderte Hauptsatzung ist direkt nach dem Beschluss in Kraft getreten, ab sofort haben wir erweiterte Rechte, wie zum Beispiel das Recht der Selbstbefassung. Ab Januar dann auch die Befugnis, über ein (bescheidenes) Budget für Vereinsförderung und Stadtteilgestaltung zu verfügen. Und bei der nächsten Kommunalwahl im Frühling 2019 wird dann nicht nur der Stadtrat vom Volk gewählt, sondern auch der Stadtbezirksbeirat. Für die Neustadt dann übrigens mit 19 statt 17 Mitgliedern.
Knapp 15 Jahre war ich Mitglied im Ortsbeirat Neustadt. Und insbesondere die ersten Jahre war das eine Zeit der ständigen Diskriminierung durch eine Hauptsatzung, die uns kaum Rechte zugesprochen hat. Nicht einmal über die Tagesordnung durften wir selbst bestimmen, geschweige denn mit eigenen Initiativen an Stadtrat und Verwaltung herantreten. Lediglich empfehlenden Charakter hatten unsere „Beschlüsse“, und gerade zu Zeiten einer CDU/FDP-Mehrheit im Stadtrat wurde unseren Empfehlungen kaum gefolgt. Da gab es unsinnige, Geld verschwendende Beschlüsse des Stadtrats gegen die Voten des Neustädter Ortsbeirats. Ich erinnere nur an das 2-Millionen-Parkdeck unter der Turnhalle der Dreikönigsschule an der Alaunstraße. Oder die verschiedenen vierspurigen Varianten der Königsbrücker Straße. Und und und. Tiefpunkt war in den Jahren 2007 bis 2009 das Tauziehen um die willkürliche Abwahl von Ortsbeiratsmitgliedern durch den Stadtrat. Rechtsstreit und Chaos war die Folge.
Genau darum finde ich es gut, dass (zu danken ist dies der rot-grün-roten Stadtratsmehrheit und wohl vor allem der Landtags-SPD, welche die entsprechenden Veränderungen in der sächsischen Gemeindeordnung erstritten hat) jetzt gewählte Stadtbezirksbeiräte kommen, die eine ganze Reihe von Rechten gegenüber Verwaltung und Stadtrat haben. Die also die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils wirksam vertreten können. Und dazu haben wir gestern Abend in der ersten Sitzung eine Reihe von formalen Beschlüssen gefasst, mit Abgrenzungsbestimmungen und einer Geschäftsordnung. Letztere ist der alten Ortsbeiratsgeschäftsordnung noch recht ähnlich, aber die Praxis wird dann zeigen, was noch verbessert werden muss. (Die Details erspare ich uns hier, Satzungsfragen sind ja eher auch etwas mit Finessen für Detailversessene – wenngleich eben nicht unwichtig.)
Eine Probe aufs Exempel der neuen Rechte gab es dann noch gegen Ende der Sitzung: Da kam die erste Lesung des städtischen Haushalts aufs Tapet. Dazu müssen nämlich die Stadtbezirksbeiräte jetzt auch gehört werden und können Vorschläge machen, immerhin. Aber die Verwaltung glänzte durch Abwesenheit, gerade beim ersten Mal, wenn noch viele Fragen sind. Das führte zu einmütigem Protest und dem Beschluss, das Thema zu vertagen – auf die nächste Sitzung, welche übrigens am Donnerstag, den 25. Oktober stattfindet. Mal sehen, ob dann jemand von der Verwaltung Rede und Antwort stehen mag – wenn nicht, fürchte ich, wird wieder vertagt…
So ganz befriedigend sind die Rechte des Stadtbezirksbeirats auch noch nicht bei dem Fragerecht der einzelnen Mitglieder. Die FDP-Kollegin Benita Horst war jedenfalls wochenlang ohne Antwort geblieben bei ihrer Frage nach dem Stand der verschiedenen Schulsanierungen und den Folgen für die Schülerinnen und Schüler. Daher gab es eine grundsätzliche Absprache, dass künftig jede Anfrage eines einzelnen Stadtbezirksbeiratsmitglieds von allen gemeinsam als Beschluss getragen wird. Das gilt dann auch für meine Anfrage, was die seltsame Schaltung der Fußgängerampeln am Albertplatz über die Bautzner Straße soll (über beide PKW-Spuren grün bei gleichzeitigem Dauer-Rot in der Mitte über die Straßenbahnschienen, offenkundig anlasslos weil häufig weit und breit keine Straßenbahn zu sehen ist).
Ja, meine Reihenfolge ist etwas durcheinander, aber was soll’s, das Wichtigste ist ja für jede und jeden etwas anderes. So war für viele Zuschauerinnen und Zuschauer wohl die Sanierung der Scheune der entscheidende Punkt. Hier schlägt die Stadtverwaltung die teuerste und nach eigenen Angaben alternativlos beste von drei Varianten vor, mit ausreichend Flächen für Spielstätten und Nebenräume, mit barrierefreien Zugängen (inclusive auch von draußen zugänglichem WC) und Erhalt der bisherigen Gastronomie. Der Clou: Die Scheune wächst, nach Norden in Richtung Katy’s Garage werden neun Meter angebaut, nach Osten und Westen, also parallel zur Alaunstraße, jeweils drei Meter. Die Höhe bleibt, das Dach wird an den Anbauseiten jeweils ein Stück weiter runtergezogen. So richtig überzeugt waren die meisten Stadtbezirksbeiräte nicht, verhunzte Bauten sind ja in der Umgebung schon einige zu sehen. Aber Alternativen gibt es auch keine. Denn wird jetzt nicht bald mit der Sanierung begonnen, dann droht die Komplettschließung wegen Brandschutz. Beschlossen wurde dann noch, dass die örtlichen Vereine und Interessengruppen stärker in die Planung einbezogen werden sollen. Damit ging die Vorlage dann durch, nur die AfD stimmte dagegen und die FDP enthielt sich. Baubeginn soll im Sommer 2021 sein, Fertigstellung dann zwei Jahre später.
Was war noch? Ach ja, der Kampf der Kleingärtner gegen den ADFC, die epische Schlacht um die lange Kleingartentrift. Ein Kompromiss sollte hier nicht sein, und auch die langen historischen Belehrungen der geschichtsvergessenen Kleingärtner durch die traditionsbewussten grünen und piratischen Fahrrad- und Viehtriftfreunde halfen nicht. Am Ende obsiegten die sechzehn Kleingartenvereine, die wollten, dass der Feldweg durch ihre Anlage „Im Kleingartenpark“ heißt. Für den Antrag „Lange Trift“ stimmten 1 Pirat und 5 Stadtbezirksbeiräte der Grünen. Dagegen die SPD (2), die CDU (2), die FDP (1), der AfD-Mann (1) und eine Linke. Eine Linke und eine Grüne enthielten sich, pardauz: sechs zu sieben, wiedermal eine der seltenen grünen Abstimmungsniederlagen im Stadtbezirksbeirat Neustadt. Aber wenn es gar zu seltsam wird: Kein Wunder. Ich gehe jedenfalls davon aus:
Sei es drum,
davon fällt
weder Kuh
noch
Fahrrad um.
Was noch? Ja, die Investitionsförderung in EFRE-Fördergebieten haben wir befürwortet (bei Enthaltung des AfD-Mannes, der ist wohl dagegen, dass europäisches Geld in die Neustadt fließt?).
Ernst aber auch heiter:
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Meyer
(Ortsbeirat SPD)
Ergänzungen von Jan Kossick, Ortsbeirat für die Piraten:
Unter Sonstiges wurde auf die Ausschreibung zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum im Rahmen des Kulturjahres Sucht hingewiesen.
Außerdem findet vom 28. September bis 30. September das 7. Neustadt Art Festival in der Neustadt statt. An über 25 Orten gibt es Ausstellungen, Konzerte, Theater und Workshops, kostenfrei für alle.