Offener Brief an »Homoheiler« Dr. Stephan Brücker
Ein Beitrag der Jungen Piraten Saxn.
Sehr geehrter Herr Dr. Brücker,
die sächsischen PIRATEN fordern nach einem Bericht des NDR über sogenannte »Homoheiler« den Entzug der ärztlichen Zulassung für Ärzt*innen, die Scheintherapien zur angeblichen „Heilung“ homosexuell veranlagter Menschen betreiben.
Wie unsere Recherchen ergeben haben, gehören Sie zu diesen Ärzt*innen.
Wir leben in einer Gesellschaft, die zu weiten Teilen Heterosexualität immer noch als einzig erstrebenswerte Norm ansieht. Die Folgen sind gravierend: Einsamkeit, Sucht, psychischen Erkrankungen, Essstörungen, Rauswurf und Flucht von Zuhause, Mobbing und Gewalt – bis hin zu Suizid. So ist allein das Suizidrisiko von Lesben und Schwulen zwischen 12 und 25 Jahren vier- bis siebenmal höher, als das von Jugendlichen im Allgemeinen.
Es gibt zahlreiche Menschen und Organisationen, die versuchen, unsere Gesellschaft in dieser Hinsicht ein kleines bisschen besser zu machen. Bestrebungen, die Sie, wie zahlreiche andere Unterzeichner der Marburger Erklärung „Für Freiheit und Selbstbestimmung“, als »totalitär« diffamieren.
Nicht ihre sexuelle Veranlagung treibt Menschen in den Suizid. Es sind Menschen wie Sie, die nicht-heterosexuellen Menschen eine „Heilung“ versprechen, anstatt ihnen zu helfen, mit ihrer Sexualität und den damit einhergehenden Problemen wie der allgegenwärtigen Diskriminierung umzugehen. Es sind Menschen wie Sie, die Heterosexualität als Norm und jede andere sexuelle Veranlagung als Abnorm propagieren und damit zum Hass auf nicht-heterosexuelle Menschen beitragen.
Damit sind Sie des Arztberufs unwürdig. Wir fordern Sie auf, daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Auch werden wir uns wie die PIRATEN dafür einsetzen, dass die Landesdirektion Sachsen Ihnen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO Ihre ärztliche Approbation entzieht.
Mit freundlichen Grüße,
Ihre Jungen Piraten Sachsen
Liebe Junge Piraten,
einige Fragen:
Ist Ihnen die Ichdystone Sexualorientierung bekannt? (http://www.icd-code.de/icd/code/F66.-.html) Darf ein Psychologe / Arzt noch diese Diagnose stellen und seine Hilfe anbieten?
Wären Sie so nett, auf eine einzige empirische Studie hinzuweisen, die gesellschaftliche Diskriminierung als primäre Ursache für „Einsamkeit, Sucht, psychischen Erkrankungen, Essstörungen, Rauswurf und Flucht von Zuhause, Mobbing und Gewalt – bis hin zu Suizid“ ausmacht. Es sind gravierende Vorwürfe, die Sie erheben. Bitte, bitte machen Sie sich doch die Mühe und finden Sie eine Studie…
Laut Gender-Theorien ist die sexuelle Identität fließend und verläuft auf einem Kontinuum von ganz heterosexuell zu ganz homosexuell. Wenn ein Mann seine Frau und Kinder verlässt, weil er plötzlich seinen homosexuellen Empfindungen Folge leisten möchte, wird ihm Beifall geklatscht und ihm geraten, er solle eine gay-affirmative Therapie machen. Warum darf aber ein verheirateter Mann, nicht versuchen, seinen heterosexuellen Impulse zu folgen und eine heterosexuell-affirmative Therapie zu machen?
Welche Vorgehensweise würden sich für die Frau und die Kinder das geringste Leid verursachen?
Über eine differenzierte, gut recherchierte Antwort würde ich mich freuen!
Mit freundlichen Grüßen,
JSLR
Sehr geehrte*r JSLR,
zur ichdystonen Sexualorientierung bitte Ursachen und Auswirkungen beachten: https://de.wikipedia.org/wiki/Ichdystone_Sexualorientierung#Ursachen_und_Auswirkungen
Studien gibt es bereits én masse:
Im Text verlinkt gibt’s die hier: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3662085/
Liebe Junge Piraten Saxn,
das ist eine Menge Studien… Doch ob es tatsächlich auch so ist, dass sie alle auf Diskriminierung und soziale Stigmatisierung als primäre Ursache für die gut dokumentierten „mental health disorders“ hinweisen, wage ich doch zu bezweifeln.
Nur, dass wir uns nicht missverstehen: jedem Menschen, der leidet, muss geholfen werden. Doch was mich immer wieder verärgert, ist, wenn eine sehr lautstarke Lobby monokausal auf etwas verweist – frei nach dem Motto, die anderen sind schuld an meinem Unglück –, ohne eigenes Mitverschulden zumindest vorsichtig auch in Betracht zu ziehen. Das verunmöglicht ein sachliches, vor allem wissenschaftliches Untersuchen und Prüfen der tatsächlichen Gegebenheiten, die Homophobie-Keule tut ein Übriges.
Nun denn, die erste Studie, auf die als Nachweise für Diskriminierung als Ursache verwiesen wird, ist die von „Cochran, Mays & Sullivan, 2003“.
An dieser Stelle kann ich es nicht lassen, dass Zitat noch einmal zu bringen: „consensus has grown among researchers that at least part of the explanation for the elevated rates of suicide attempts and mental disorders found in LGB people is the social stigma, prejudice and discrimination associated with minority sexual orientation“. Ein Teil der Ursache [meine Hervorhebung…], d. h. es gibt wohl auch andere Gründe…
Doch was sagt Cochran et al. anno 2003, dessen Studie den Titel trägt: „Prevalence of Mental Disorders, Psychological Distress, and Mental Health Services Use Among Lesbian, Gay, and Bisexual Adults in the United States“?
„[O]ur findings underscore the growing body of work suggesting that minority sexual orientation status is a risk indicator for differences in both prevalence and patterns of mental health disorders and service use. The cause for this is not known;“ Hopla, not known wie in nicht bekannt, oder wir wissen es nicht.
Doch warte, es geht weiter: „however, there is reasoned sense that it might be related to the effects of social stigma surrounding homosexuality“, na also, da hätten wir es, wobei „reasoned sense that it might be“ nach meinen Kenntnissen in etwa mit „es gibt vernünftige Gründe, dass es vielleicht sein könnte“ übersetzt wird. Das hört sich nicht ganz hieb- und stichfest an.
Inzwischen wird das Zitat aber spannend: „or the subtle ways in which the lives of lesbians and gay men differ from those of heterosexual women and men (Cochran, 2001):“ Es könnte also doch etwas mit dem Lebensstil zu tun haben, der Homosexuellen wohlgemerkt, nicht der umgebenden Gesellschaft.
Doch da das anscheinend auf gar keinen Fall sein darf, hängen Cochran et al. gleich noch einige Konjunktive an: „The mechanisms by which this occurs may include experiences with discrimination […] or perhaps other psychosocial factors, such as deficits in social support […] or HIV-related grief. Only future research examining these issues can clarify the actual causal factors that may account for the differences observed here and elsewhere.“
May, perhaps…
Mit anderen Worten, die Studie Cochran, Mays & Sullivan, 2003 weist keinen Zusammenhang zwischen der untersuchten psychischen Störungen und gesellschaftlicher Diskriminierung.
In den kommenden Wochen werde ich nach und nach weitere Studien besorgen und daraufhin lesen, ob es eine einzige Studie gibt, die empirisch nachweist, dass gesellschaftliche Diskriminierung und soziale Stigmatisierung als Hauptursache für die tatsächlich schlimmen Befunde gelten kann.
Auf meine Frage, ob Gender nun fließend oder von Geburt an festgezurrt ist, habe ich Ihrerseits noch keine Antwort gefunden…
Mit freundlichem Gruß,
JSLR
Hallo JSLR
Hier eine Metastudie die untersucht hat was Studien über die letzten Jahrzente herausgefunden haben und zu dem Schluss kommt dass es an diskriminierung durch die Umwelt liegt:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2072932/?iframe=true&width=100%25&height=100%25
Solange ihre herausgesuchten Studien nicht den gleichen Umfang haben (Also metastudien sind die mehrere hundert arbeiten betrachten) sind diese rein wissenschaftlich betrachtet nicht viel Wert, da Einzelstudien zu wenig Evidenz besitzen.